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  Anmerkung zu BFH, Urteil v. 20.11.2024 – VI R 21/22

Autoren: Dr. Henning Frase LL.M., Rechtsanwalt/Steuerberater/Fachanwalt für Steuerrecht bei 3T.LAW in Köln/Berlin sowie Mitherausgeber eines Werks zu Mitarbeiterbeteiligungsmodellen; [●]

 

  I. Hintergrund

Die Übertragung von „echten“ Kapitalbeteiligungen am eigenen Unternehmen einer angestellten Führungskraft oder eines sonstigen Angestellten ist regelmäßig Lohn- und einkommensteuerlich relevant: im Grundsatz ist davon auszugehen, dass ein geldwerter Vorteil (Überlassung des Vermögenswert unter dem Verkehrswert) seinen Grund im Anstellungsverhältnis hat und deswegen hierauf Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen ist. Dies führt regelmäßig zur Besteuerung ohne Liquiditätszufluss, insbesondere wenn diese Geschäftsanteile verfügungsbeschränkt sind (Haltefrist). Bei kleinen und mittleren Unternehmen (auch Scale-Ups) hilft seit Juli 2021 (nochmals großzügiger ausgestaltet zum 1. Januar 2023) die Regelung zur erst nachgelagerten Besteuerung von sogenanntem Dry Income nach Maßgabe von § 19a EStG.

In einer neuen Entscheidung stellt der Bundesfinanzhof klar, dass bei entsprechender Gestaltung Geschäftsanteile an Mitarbeiter im Wege einer Nachfolgeregelung einkommensteuerfrei übertragen werden können; in diesen Fällen liegt vielmehr ein erbschaft- und schenkungsteuerlich relevanter Sachverhalt vor.

 

  II. Sachverhalt und Entscheidung

Zum Kern des (2013/2014 verwirklichten) Sachverhalts:

Im Rahmen einer Nachfolgeregelung anlässlich des 65. Geburtstages des Gründungsgesellschafters waren bei einer GmbH Geschäftsanteile in einer Höhe von insgesamt gut 25 % an verschiedene Führungskräfte (darunter die Klägerin) übertragen worden; die übrigen Geschäftsanteile (74,61 %) wurden an den Sohn des Gründers der Nießbrauchsvorbehalt übertragen.

Sowohl in den entsprechenden Gesellschafterbeschlüssen als auch im eigentlichen Übertragungsvertrag mit den Führungskräften war vermerkt, dass die Übertragung zum Zwecke der Unternehmensnachfolge erfolgen; insbesondere war die Anteilsübertragung nicht an den Bestand von Anstellungsvertragsverhältnissen geknüpft; überdies war eine erbschaftsteuerliche Rückfallklausel vereinbart (nämlich für den Fall, dass das Finanzamt eine steuerprivilegierte Übertragung von Betriebsvermögen nicht annehmen würde).

Die Lohnsteueraußenprüfung sah in Höhe des geldwerten Vorteils wegen der vergünstigten Überlassung der GmbH-Anteile steuerpflichtigen Arbeitslohn vor. Es erging sodann eine Prüfungsmitteilung an das Wohnsitzfinanzamt der Klägerin, woraufhin der Einkommensteuerbescheid der Klägerin in Höhe eines geldwerten Vorteils (wie von der Lohnsteuerprüfung) im Rahmen der Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit erhöht wurde. Die hiergegen gerichtete Klage hatte sowohl vor dem Finanzgericht Sachsen-Anhalt als auch vor dem Bundesfinanzhof Erfolg.

  III. Einordnung und Stellungnahme

Soweit ersichtlich beschäftigt sich der Bundesfinanzhof erstmals mit der Abgrenzung, inwieweit nicht einkommensteuerbar GmbH-Anteile an Mitarbeiter im Rahmen einer Nachfolgeregelung übertragen werden können. Der Charme der Gestaltung liegt offensichtlich darin, dass aufgrund der sogenannten Betriebsvermögensverschonungsregelungen auch eine im Grundsatz anfallender Schenkungsteuer bei Beachtung des 25 %-Quorums nicht anfällt, wenn im Rahmen der Nachfolgeregelung durch die künftigen Gesellschafter/Führungskräfte das Unternehmen fortgeführt und die Arbeitsplätze (soweit für den Lohnsummentest notwendig) gesichert werden.

  IV. Fazit und praktische Konsequenzen

Die praktischen Konsequenzen betreffen vorrangig mittlere und kleine Unternehmen, bei denen Nachfolgeregelungen anstehen. An sich erscheint es als Selbstverständlichkeit, dass auch ein bereits im Unternehmen tätiger Nachfolger in den Genuss der erbschaftsteuerlichen Verschonungsregelungen (zum Zwecke der Sicherung der Unternehmensnachfolge) kommen darf. Dies stellt der BFH dankenswerterweise klar.

Bei größeren Unternehmen und in den meisten Praxisfällen wird das 25 %-Quorum in Mitarbeiterbeteiligungsmodelle nicht erreichbar sein, weil allenfalls wenige Prozentpunkte des Unternehmenskapitals für Mitarbeiter reserviert sein dürften. Im Übrigen ist typischerweise in solchen Mitarbeiterbeteiligungsmodellen das „Behaltendürfen“ der Beteiligung an den Fortbestand des Anstellungsverhältnisses geknüpft. In einem solchen Fall kann aber bereits nicht mehr von einer Übertragung zur Sicherung der Unternehmensnachfolge ausgegangen werden.