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Mindeststeuergesetz sowie Begleitmaßnahmen

1. Hintergrund

Die EU-Richtlinie 2022/2523 zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gruppen war bis Ende 2023 in nationales Steuerrecht umzusetzen. Diese Richtlinie ist ihrerseits Ergebnis einer auf OECD-Ebene erfolgten Einigung über gemeinsame Besteuerungsgrundsätze. Ein Anliegen dieser Staatengruppe („Members of the OECD/G20 Inclusive Framework on BEPS“, siehe https://www.oecd.org/tax/beps/inclusive-framework-on-beps-composition.pdf) ist die Schaffung eines sogenannten „Level Playing Field“ der Ertragsbesteuerung. Das schließt eine globale Mindestbesteuerung ein. Im Fokus stehen multinationale Unternehmen (Multinational Enterprises – „MNE“) mit einem Jahresumsatz von mindestens 750 Mio. EUR. Erfasst werden aber auch große inländische Unternehmensgruppen (Large-Scale Domestic Groups).

Die Umsetzung in deutsches Steuerrecht erfolgt durch das „Mindeststeuergesetz“ (MinStG). Wichtig ist, dass das Gesetz als Begleitmaßnahme weitere Steuergesetze, beispielsweise des AStG oder § 4j EStG (Lizenzschranke) anpasst.

2. Kernanliegen des Gesetzes

Die Mindeststeuer soll als Nachversteuerungsregel eine eigenständige Ertragsteuer sein, die unabhängig von der Rechtsform Unternehmensgewinne von (internationalen) Unternehmensgruppen ab einer bestimmten Größenordnung erfasst. Sie tritt neben die Einkommen- und Körperschaftsteuer (sowie Gewerbesteuer) und bezweckt, das Einkommen aller Geschäftseinheiten einer Unternehmensgruppe mit effektiv mindestens 15 % zu besteuern. Wird dieser effektive Mindeststeuersatz durch die regulären Ertragsbesteuerung nicht erreicht, soll durch die Mindeststeuer – grundsätzlich auf Ebene der obersten Muttergesellschaft – eine zusätzliche Besteuerung erfolgen.

Punktuell können auch Personengesellschaften Steuersubjekt der Mindeststeuer sein, was in Deutschland als Systembruch angesehen werden kann.

Ein Mindeststeuersatz von 15% hat aufgrund der vergleichsweise hohen Steuerbelastung in Deutschland dann Konsequenzen, wenn Unternehmen Tochtergesellschaften in niedrig besteuerten Jurisdiktionen haben.

Als Begleitmaßnahme werden erfreulicherweise sowohl im Rahmen der Niedrigbesteuerung nach dem Außensteuergesetz als auch im Rahmen der Lizenzschranke nach § 4j EStG die Schwellenwerte für die Niedrigbesteuerung von 25% auf 15 % abgesenkt (nachfolgend 8.).

3. Anwendungsbereich

Das MinStG soll erstmals für Geschäftsjahre, die nach dem 30.12.2023 beginnen, gelten. In den sachlichen Anwendungsbereich fallen Unternehmensgruppen, die die Umsatzgrenze von 750 EUR Mio. in mindestens zwei der vier vorangegangenen Geschäftsjahre erreichen. Schätzungen gehen von bis zu 800 erfassten deutschen Unternehmensgruppen aus.

Irrelevant ist, ob die jeweilige Unternehmensgruppe international oder nur national tätig ist. Für Unternehmensgruppen mit untergeordneter internationaler Tätigkeit ist allerdings eine 5-jährige Steuerbefreiung vorgesehen.

Keine Anwendung findet das Gesetz auf hoheitliche Rechtsträger, steuerbegünstigte Körperschaften (NGOs) sowie bestimmte Investmentvehikel.

4. Besteuerungssystematik: Drei unterschiedliche Besteuerungsregelungen

Die Mindeststeuer setzt sich für die in Deutschland belegenen Geschäftseinheiten zusammen aus der

  • Primärergänzungssteuer,
  • Sekundärergänzungssteuer (§§ 11–14 MinStG) sowie einem
  • eventuellen nationalen Ergänzungsteuerbetrag.

Diese Besteuerungsregelungen ergänzen sich.

Die Geschäftseinheiten einer Unternehmensgruppe bilden eine Mindeststeuergruppe. Die Primärergänzungssteuerbeträge, Sekundärergänzungssteuerbeträge und nationalen Ergänzungssteuerbeträge dieser Geschäftseinheiten werden dem Gruppenträger zugerechnet. Der Gruppenträger schuldet die Mindeststeuer.

Der Primärergänzungssteuerregelung unterliegt die (oberste) Muttergesellschaft einer Unternehmensgruppe. Soweit keine oberste Muttergesellschaft im Inland besteht, werden zwischengeschaltete und in Teileigentum stehende Muttergesellschaften erfasst.

Die Sekundärergänzungssteuerregelung ist Auffangtatbestand, soweit eine etwaige Niedrigbesteuerung nicht durch die Anwendung der Primärergänzungssteuerregelung ausgeglichen werden kann.

Die nationale Ergänzungssteuer entspricht dem für Deutschland einer Geschäftseinheit zugeordneten Steuererhöhungsbetrag.

5. Berechnung

Ausgangspunkt für die Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage ist die handelsrechtliche Rechnungslegung (Konzernabschluss). Hieraus wird nach Anpassungen dann der Mindeststeuer-Gewinn oder -Verlust der jeweiligen Geschäftseinheit entwickelt.

Erforderlich zur Ermittlung des effektiven Steuersatzes sowie eines etwaigen Steuererhöhungsbetrags sind die sog. angepassten erfassten Steuern (§§ 36 ff. MinStG). Im ersten Schritt werden die erfassten Steuern vom Einkommen oder Ertrag der jeweiligen Geschäftseinheit ermittelt. Im zweiten Schritt erfolgen Anpassungen, etwa Kürzung von Steueraufwand, der voraussichtlich nicht binnen drei Jahren nach dem Geschäftsjahr entrichtet wird.

Wenn die Mindeststeuer-Gewinne und -Verluste aller Geschäftseinheiten eines Steuerhoheitsgebietes sowie die angepassten erfassten Steuern feststehen, kann der effektive Steuersatz der jeweiligen Unternehmensgruppe für ein Steuerhoheitsgebiet ermittelt werden. Die Differenz zwischen dem effektiven Steuersatz und dem Mindeststeuersatz von 15 % ist Grundlage für die Ermittlung des Steuererhöhungsbetrags im jeweiligen Land.

6. Besteuerungsverfahren

Gruppenträger ist die in Deutschland belegene (oberste) Muttergesellschaft der Unternehmensgruppe. Für den Gruppenträger besteht die Pflicht zur Abgabe eines Mindeststeuer-Berichts zum Bundeszentralamt für Steuern und andererseits zur Abgabe einer Steuererklärung (Steueranmeldung) beim örtlich zuständigen Finanzamt. Der Gruppenträger muss die eigene Stellung dem Bundeszentralamt für Steuern sowie dem örtlich zuständigen Finanzamt spätestens zum Ablauf des ersten Geschäftsjahrs, für das die Steuerpflicht nach diesem Gesetz besteht, erstmals gegebenenfalls bis zum 31.12.2024, mitteilen.

Verfahrensrechtlich gelten die Vorschriften der Abgabenordnung, soweit das Mindeststeuergesetz keine abweichende Regelung trifft.

Die Festsetzung eines Verspätungszuschlages bei verspäteter Abgabe der Mindeststeuererklärung wird in § 152 Abs. 3 Nr. 4 AO ausgeschlossen, da die Erklärungsfrist vom Ende des Geschäftsjahres abhängt und durch den Fristablauf für die Abgabe des Mindeststeuer-Berichts gehemmt wird.

Weiterhin beinhaltet § 98 MinStG eine Bußgeldvorschrift für die nicht ordnungsgemäße Abgabe des Mindeststeuer-Berichts.

7. Übergangsvorschriften und Erleichterungen

Für Unternehmensgruppen mit untergeordneter internationaler Tätigkeit ist eine vollständige Steuerbefreiung für die ersten fünf Jahre vorgesehen.

Weitere Regelungen betreffen eine Reduktion gegebenenfalls auf null der Mindeststeuer bei Betroffenheit von einer anerkannten Ergänzungssteuer im Ausland.

8. Begleitmaßnahmen: Änderung anderer Steuergesetze

Die Niedrigsteuergrenze bei der Lizenzschranke (§ 4j EStG) wird für Aufwendungen, ab 2024 entstehen, von 25% auf 15% abgesenkt. Gleichfalls wird die Niedrigsteuergrenze im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung auf 15% abgesenkt.

Mitteilungen nach § 6 Absatz 5 AStG bei Stundungen oder Ratenzahlungen im Zusammenhang mit einer Wegzugsbesteuerung sowie Erklärungen zur gesonderten Feststellung nach § 18 Absatz 1 bis 3 AStG für Zwecke der Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 bis 13 AStG) als auch der Einkünfte einer ausländischen Familienstiftung (§ 15 AStG) müssen künftig elektronisch übermittelt werden.

Schließlich sieht für Wegzüge ab dem 1. Januar 2022 § 6 AStG n.F. eine Anti-Missbrauchs-Regelung bei substantiellen Gewinnausschüttungen (mehr als 25% des gemeinen Werts der Anteile) vor. Es kann die zu einer Festschreibung der Wegzugssteuer und zum Widerruf der Stundung kommen. Diese soll nun auch in Altfällen für Gewinnausschüttungen ab dem 24. August 2023 gelten.

9. Änderungen im Handelsbilanzrecht (HGB)

Die Komplexität des Mindeststeuergesetzes und Benachteiligungen für HGB-Bilanzierer sollen durch eine verpflichtende Ausnahme von der Bilanzierung latenter Steuern, die sich aus der Anwendung des Mindeststeuergesetzes oder entsprechender ausländischer Steuergesetze ergeben reduziert werden. In § 285 Nr. 30a HGB sowie § 314 Abs. 1 Nr. 22a HGB werden neue Angabepflichten für Anhang und Konzernanhang geschaffen.

Das Inkrafttreten dieser Vorschriften regelt Art. 8 EGHGB.

10. Kritik

Die Komplexität des Gesetzes ist, teilweise, EU-rechtlichen Vorgaben geschuldet.

Für das Besteuerungsverfahren ist ein Mindeststeuer-Bericht als auch eine Steueranmeldung unabhängig davon abzugeben, ob am Ende eine Mindeststeuer Anwendung findet. Die doppelte Erklärungspflicht ist eventuell vermeidbar.

Kontakt

Dr. Henning Frase

RA, StB, FA StR, FB IStR